Argentinien


Cuyo I - Mitte-West-Argentinien

 

Abenteuer Ruta 40 - bizarre Naturschauspiele in den Weltnaturerberegionen Talampaya und Ischigualasto

 

Von Jörg Schwarz

 

Es gilt die schlichte aber treffende Gleichung, an der sich der Reisende in Argentinien stets sicher orientieren kann: „Fahre einfach entlang der Ruta 40 von Nord nach Süd! Fahre über atemberaubende Pässe, durch pittoreske Bergwelten und bizarre Landschaften. Fahre über eine der längsten und abwechslungsreichsten Straßen der Erde, nicht mehr ganz jung und gelegentlich Rippenpiste, dafür stets spannend und spektakulär. Nimmst du die Ruta 40“, so heißt es, „dann wirst du deine Argentinienreise niemals vergessen!“ Gesagt, getan: Es ist unser Plan genau dieser Empfehlung Folge zu leisten. Die legendäre Straße soll bei unserer mehrwöchigen Tour durch den andinen Westen Argentiniens Richtschnur sein.  

 

Cuesta Miranda, Chilecito, Bergpanorama
Kein Klischee: Der Ruf der Ruta 40 hält, was er verspricht: Sie ist eine atemberaubende Straße! (Foto Jörg Schwarz)

 

Obwohl die Ruta National 40 hoch oben in Argentiniens Norden beginnt – gleich hinter der Grenze zu Bolivien – und sich dann über mehr als 5.200 km weit in Richtung Süden, die Anden entlang und durch Patagonien schlängelt, beginnen wir unsere Reise dieses Mal auf der Höhe Chilecitos, in der Provinz Rioja. Die legendäre Straße hat von Norden kommend hier schon hunderte Kilometer hinter sich und zahlreiche Höhepunkte passiert, wir haben Teile davon (Cachi – Cafayate) auf einer früheren Reise bereits erkundet. Dieses Mal wollen wir von Chilecito aus auf die Ruta 40 auffahren und von dort zu unserem vorerst angestrebten Zwischenziel weiterreisen: Nach Barreal in der Region San Juan. Wir werden also der Ruta 40 folgen, uns aber immer wieder auch treiben lassen, von ihr herunterfahren und Abstecher machen. Wir werden dabei hervorragend speisen und guten Wein genießen, wandern, raften und vieles mehr. Vor allem werden wir staunen, staunen über die Schönheit dieses Landes, seiner skurrilen Landschaften und seiner interessanten Menschen.

 

Chilecito – Heiliger Abend unterm Sternenhimmel

Streetart in Rioja (Foto Jörg Schwarz)
Streetart in Rioja (Foto Jörg Schwarz)

Es ist Dezember, Weihnachten steht vor der Tür. Um Chilecito - unseren Ausgangspunkt - zu erreichen, fahren wir zunächst in großer Hitze durch trockenes, und halb-wüstenhaftes Land, links aus dem Fenster fast unbegrenzte Weite und Fernsicht, viel Farmland und Viehweiden, rechts die Anden, mal flacher, mal höher. Wir kommen von Tucumán.

 

Von Weihnachten, wie wir es kennen, keine Spur. Wir passieren den Pilgerort Catamarca und verbringen ein paar Tage in Rioja. Trotz schöner Streetart, einem guten Café und einer insgesamt netten Atmosphäre zieht es uns aber schnell nach Chilecito weiter, der ehemaligen Bergbaustadt direkt an der Ruta 40 gelegen. Links und rechts zunächst oasenhaft anmutende landwirtschaftliche Anbauflächen, die teils die immer höher steigenden Berge emporklettern: Wir sehen Wein, viel Obst und schneebedeckte Andenriesen im Hintergrund. Kaum erreicht, fahren wir auf der Ruta 40 direkt in die Stadt hinein. Bevor es endgültig losgeht verweilen wir noch über die Weihnachtsfeiertage – unsere eigentliche Fahrt auf der altehrwürdigen Straße muss noch ein paar Tage warten.

 

Die knapp 30.000 Einwohner zählende Kleinstadt, die sich malerisch in einem etwa 1.100 m hoch gelegenen breiten Tal zwischen der Sierra de Velasco (ca. 5.000 m) und der Sierra de Famatina (6.250 m) an einen kleinen Bergrücken schmiegt, wird  Ausgangspunkt für einige Höhepunkte unserer Reise sein.

Kaum angekommen fühlen wir uns angesichts der trockenen Steppenlandschaft, der kakteenbestanden Hügel und der nahegelegenen stillgelegten Mine La Mejicana wie in Texas. Es fehlen eigentlich nur Cowboys und Pferde und man würde sich in einer Szenerie des Wilden Westens wähnen.

 

Chilecito - Blick auf den im Sonnenaufgang leuchtenden Bergrücken, der die ganze Stadt durchzieht (Foto Jörg Schwarz)
Chilecito - Blick auf den im Sonnenaufgang leuchtenden Bergrücken, der die ganze Stadt durchzieht (Foto Jörg Schwarz)

 

Neben ein paar kleinen interessanten Museen, dem hervorragenden Aussichtspunkt bei der großen Christo-Statue und der insgesamt beschaulich-freundlichen Innenstadt von Chilecito sticht natürlich die ehemalige Seilbahn zur Mine La Mejicana (4.603 m) – hier wurde im Übergang zum 20. Jahrhundert Gold, Silber und Kupfer abgebaut – an Sehenswürdigkeiten heraus, der heute ein Museum gewidmet ist. Das Museo del Cablecarril befindet sich in der ehemaligen Seilbahnstation und dokumentiert die Bedeutung der durch ein deutsches Unternehmen errichteten Seilbahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Mit ihren neun Stationen, dem Tunnel und insgesamt 262 Stützen galt sie lange Zeit als längste Seilbahn der Welt. Erst der Erste Weltkrieg bereitete ihr ein schleichendes  Ende.

 


Stadtansichten (Fotos Jörg Schwarz)
Stadtansichten (Fotos Jörg Schwarz)

 

Chilecito entpuppt sich für uns als Glücksfall: Während in unserer großartigen Posada der Weihnachtsbaum direkt neben unserer Zimmertür platziert wird, werden wir von Vicky und Juan – den freundlichen Besitzern der Unterkunft – zum Familien-Barbecue an Heilig Abend eingeladen: „Natürlich werdet Ihr nicht alleine bleiben! Ihr werdet an dem Abend Teil unserer Familie sein!“

 

Die Posada del Sendero in Chilecito - unsere Weihnachtsdependance 2013 (Foto Jörg Schwarz)
Die Posada del Sendero in Chilecito - unsere Weihnachtsdependance 2013 (Foto Jörg Schwarz)

Unter dem klaren und strahlenden Sternen-himmel im Garten der Posada – der Heilige Abend hat in der warmen Abendluft dieser Sommernacht eine wirklich magische Atmosphäre – nehmen wir gemeinsam mit der argentinischen Großfamilie zunächst die Bescherung und anschließend das Festmahl unter freiem Himmel ein. Die Stimmung ist ausgelassen und entspannt, Kinder tollen herum, Sternschnuppen gehen über uns hinweg und im Laufe des Abends werden sich Argentinier und Deutsche immer vertrauter: Juan erzählt von den ereignisreichen Tagen des „Schmutzigen Krieges“, die ihn als Student zu einer vorsorglichen Flucht aus Cordobá „hierher in die Provinz“ verschlagen haben, in eine

 

Gegend, die die Militär-Junta nicht sonderlich interessiert zu haben scheint. „Noch heute“, so Juan, „messe Buenos Aires der Region wenig Bedeutung bei, habe man kaum Einfluss auf die Politik des Landes“. Wir sprechen über die heutigen Herausforderungen Argentiniens, vermeintliche Lösungen und Irrwege der Präsidentin Kirchner sowie die kopfschüttelnd zur Kenntnis genommenen Unruhen der vergangenen Tage. Er schwärmt zugleich von Deutschland und Angela Merkel, die seiner Meinung nach „als Einzige Europa zusammenhalte“.

 

Uns begegnet hier in Argentinien – und es ist weder das erste noch das letzte Mal in Südamerika – ein uns immer wieder überraschendes, positives Deutschlandbild.

 

Bescherung für die kleinen Kinder - und für die großen ...
Bescherung für die kleinen Kinder - und für die großen ...
... Kinder (Fotos Jörg Schwarz)
... Kinder (Fotos Jörg Schwarz)

 

Cuesta de Miranda – Einstieg in die Ruta 40

Während Weihnachten ruhig und unaufgeregt vergeht, machen wir uns schließlich endlich auf die berühmte Piste. Noch nicht im eigenen Wagen, sondern – durch die Posada organisiert – im allrad- betriebenen Pickup und gemeinsam mit einem argentinischen Paar aus Buenos Aires. Und tatsächlich: Bereits die ersten Kilometer auf der Ruta 40 führen uns durch herausragende Berglandschaften: Die Cuesta de Miranda, eine atemberaubende Passstraße entlang der Sierra de Famatina, die uns zu den Nationalparks Talampaya und Ischigualasto bringen soll, ist selbst ein empfehlenswertes Highlight: Die Ruta 40 – zunächst breit und asphaltiert – führt uns an der einst weltweit größten Gerberei vorbei, passiert einen aufgestauten Fluss, einige Brücken und grüne Hänge, die jetzt von blühenden Kakteen bestanden sind. 

 

Die wundervolle Panoramaansicht der Cuesta de Miranda bei Sonnenuntergang (Foto Jörg Schwarz)
Die wundervolle Panoramaansicht der Cuesta de Miranda bei Sonnenuntergang (Foto Jörg Schwarz)

 

Immer wieder offenbart die Straße dem Blick links wie rechts herrliche Schluchten und Oasen an den Wasserläufen. Eisenhaltiges Gestein beschert der Erde hier eine rote Färbung, die sich mit dem Grün der Flora zu einem Gesamtkunstwerk vereint – besonders schön ist das in der Zeit der Auf- und Untergänge der Sonne. Je höher wir hinauf steigen desto steiler fallen die Wände links und rechts ab, desto enger werden die Serpentinen, bis einzelne Abschnitte der Ruta 40 nur noch einspurig befahrbar sind. Hier oben auf etwa 2000 m ist die Ruta 40 zu einem schmalen Sandstreifen geworden.

 


Entlang der Ruta 40 - Die Cuesta de Miranda (Fotos Jörg Schwarz
Entlang der Ruta 40 - Die Cuesta de Miranda (Fotos Jörg Schwarz

 

Bevor wir in das steilste Teilstück hineinfahren halten wir jedoch kurz am Straßenrand. Wir erleben ein Straßenritual, das es wohl nur hier in Argentinien in dieser Form gibt: Unser Fahrer „opfert“, ein paar kurze Worte in sich hinein murmelnd,  seine fast leere Wasserflasche an einem Schrein der Difunta Correa, einer in Argentinien verehrten Schutzheiligen der Reisenden. Der Legende nach war die Difunta Correa eine Frau, die auf der Suche nach ihrem Mann angeblich in der Wüste Argentiniens verdurstet ist. Ihr Kind jedoch war dank der Muttermilch nicht gestorben, es lag saugend an der Brust der toten Mutter als man es fand. 

 

Schreine von Gauchito Gil und Difunta Correa (Foto Jörg Schwarz)
Schreine von Gauchito Gil und Difunta Correa (Foto Jörg Schwarz)

 

Während man ihr in Vallecito – gegen allen Widerstand der Kirche – ein Denkmal gesetzt und den Ort zu einer Pilgerstätte gemacht hat, findet man überall in Argentinien entlang der Straßen Schreine und Heiligtümer der Difunta. Ihren Beistand erbitten die Reisenden durch Hinterlassen der meist leeren Plastikflaschen. „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ denken wir: Beistand und Müllentsorgung in einem. Während unserer Reise auf der Ruta 40 jedenfalls, fahren wir an vielen solcher und ähnlicher Schreine (Pendent: Schreine des Schutzheiligen Gauchito Gil) vorbei – zu erkennen schon von weitem an den Plastikmüllbergen am Straßenrand. Beschützt von der Difunta Correa überqueren wir die beeindruckende Cuesta de Miranda unbeschadet und begeben uns zu zwei der attraktivsten Nationalparks der Region. Hierfür fahren wir bei Villa Union von der Ruta 40 ab.

 

Bizarre Formationen und Steilwände – Weltkulturerbe Talampaya und Ischigualasto

Wirkt echt! (Foto Jörg Schwarz)
Wirkt echt! (Foto Jörg Schwarz)

Die Region ist ein weltweit geschätzter Hotspot für Dino-Fans und Paläontologen, birgt das Gestein in dieser Gegend doch zahlreiche herausragend erhaltene Fossilien und Dinosaurierskelette der  Trias. Die gesamte Epoche dieses Weltzeitalters läßt sich in den beiden Parks über entsprechende Funde belegen.

 

Wir beginnen im Parque National Talampaya und müssen unseren Wagen stehen lassen, weil wir gemeinsam mit anderen Reisenden in Bussen und begleitet durch Guides durch den Park chauffiert werden. Bevor es los geht, laufen wir durch den Dino-Park, einem kleinen Parkabschnitt in welchen Dinosauriermodelle in Lebensgröße ausgestellt werden. Unser Fahrer lehnt sich derweil in seinem Pickup zurück und genehmigt sich einen Mate-Tee. Er hat jetzt Pause...

 

Als es losgeht strahlt die Sonne intensiv aus einem durch und durch blauen Morgenhimmel auf uns herab.

Es ist bereits angenehm warm. Der Park selbst beeindruckt bereits auf den ersten Metern: Die Fraben der Natur strahlen, durch leuchtend roten Sandstein geprägt, imponiert die Landschaft durch hohe, imposante Steilwände und Schluchten. Wetter- und erosionsbedingt bizarr gestaltete Felsformationen glänzen zudem  mit fossilreichem Gestein und wir sehen mehrfach zahlreiche einheimische Tierarten. Schon mit unserer Einfahrt in die eindrucksvolle Schluchtenlandschaft, in der wir unsere Hälse ehrfürchtig in die Höhe der steil aufragenden Wände recken und Petroglyphen auf herabgestürzten Sandsteinfelsen betrachten, sehen wir die erste Gruppe Nandus, jene großen flugunfähigen Laufvögel Südamerikas, verwandt mit dem afrikanischen Strauß und dem australischen Emu

 


Einblicke in den Parque National Talampaya (Fotos Jörg Schwarz)
Einblicke in den Parque National Talampaya (Fotos Jörg Schwarz)

 

Sie kommen uns gelassen in dem breiten Flussbett entgegen, das heute unsere Piste ist. Das Flussbett ist die frühere Heimat des Rio Talampaya, der hier schon lange nicht mehr üppig fließt, diese Landschaft aber mitgeformt hat. Die Nandus suchen mit ihren langen Hälsen nach vorn gebeugt den Boden ab und lassen sich bei der Nahrungssuche nicht von uns stören. Erst als ein Nandu etwas unvorsichtig aus dem Busch kommt und erschrocken in unsere Fahrtspur gerät – keine Sorge, der Abstand war groß – da zeigt sich, zu welchem Tempo der Zweibeiner in der Lage ist… Immer wieder zeigen sich uns nun auch Herden von Guanacos, zur Familie der Kamele gehörend, kleine Wüstenfüchse, Kondore sowie Maras, die etwas hüftsteif wirkenden südamerikanischen Pampashasen. Vor allem aber ziehen die leuchtend roten Wände samt ihrer erodierten Formationen uns immer wieder in ihren Bann.

 


Erosionsbedingte Naturschönheiten (Fotos Jörg Schwarz)
Erosionsbedingte Naturschönheiten (Fotos Jörg Schwarz)

 

Wir durchfahren die nur wenige Kilometer lange Schluchtenzone, halten hier und da an und laufen an markanten Stellen die Sehenswürdigkeiten ab. Es ist jetzt spürbar, dass es heute noch heiß werden wird. Die Luft ist wahnsinnig trocken. Ohne Sonnenschutz und viel Wasser ist die wüstenartig karge Vegetation im Sommer kaum auszuhalten. Nur im oasenartigen Jardín Botánico – hier scheint das Wurzelwerk alter Bäume das Grundwasser besser zu erreichen – ist es im Schatten der hier stehenden Baumriesen etwas angenehmer. Insgesamt regnet es in diesen Breiten nur noch selten und wenig, so dass es vor allem der Wind ist, der zur fortgesetzten Gestaltung der unzähligen Sandsteinmonumente beiträgt, die uns nun der Reihe nach vorgeführt werden: So erheben sich vor uns vielzählige Formationen wie die Cathedral Gótica, die an Gaudis Familia Sagrada erinnert, La Torre oder die Abuela, eine mehrere Meter hohe Figur, deren Formen tatsächlich einer ‚Großmutter’ ähneln… Die Natur jedenfalls zeigt sich hier beeindruckend als großartige Schöpferin.

 

Gespickt mit Felsformationen und steilen Wänden (Fotos Jörg Schwarz)
Gespickt mit Felsformationen und steilen Wänden (Fotos Jörg Schwarz)


Wie sollte das im Parque Ischigualasto noch gesteigert werden? Und ob das geht!

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